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Blog für Wirtschaft und Soziales: erklären – hinterfragen – neu andenken

Autor: Fernando Lopez

  • Weniger Ausgaben, genug Rente

    Weniger Ausgaben, genug Rente

    Die demografische Entwicklung und die steigende Lebenserwartung haben erhebliche Auswirkungen auf die Finanzierung der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) sowie der Pensionskassen (PK). Laut Bundesverfassung sollten bei der Pensionierung die Auszahlungen aus diesen beiden Säulen des Rentensystems den gewohnten Lebensstandard aufrechterhalten. In der Praxis geht man dabei von rund 60% des letzten Lohnes aus. Eine Studie des Vermögenszentrums zeigt jedoch, dass die Beiträge aus der Pensionskasse immer tiefer ausfallen und zu einer grösseren Einkommenslücke führen. Erwerbstätige müssen heute mit bis zu 40% tieferen Leistungen als noch vor 20 Jahren rechnen.   

    Abbildung 1: Wachsende Einkommenslücke (Quelle: VZ Vermögenszentrum)

    Auf der Ausgabeseite sieht die Situation für Rentner nicht entspannter aus. Zwar entfallen berufliche Auslagen und die Kinder sind meist ausgezogen, doch bleiben hohe fixe und obligatorische Kosten bestehen. Ein Rentnerpaar muss etwa 17% seines Renteneinkommens für Steuern aufbringen, während die Grundversicherung der Krankenkasse rund 10% ausmacht. Die Wohnkosten liegen im Schnitt bei zirka 13%. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Rentnerpaare sind beim Wohnen am grössten. Wer im Eigentum wohnt, profitiert aktuell von der tiefen Zinslage. Ebenso zahlen Paare, die schon lange in der gleichen Wohnung sind in der Regel weniger Miete. Der Anteil der Wohnauslagen kann zwischen 10-40% schwanken. Spätestens mit dem Tod eines Partners steigt der Anteil im Durchschnitt auf 22 % des Renteneinkommens.

    Abbildung 2: Ausgaben bei Haushalten von über 65jährigen (Eigene Darstellung, Quelle: Bundesamt für Statistik)

    Diese genannten fixen bzw. obligatorischen Kosten verschlingen bereits 40-50% des Renteneinkommens. Zusätzliche Ausgaben für Gesundheit, wie Medikamente, Lebensmittel oder der obligatorische Serafe-Beitrag, sind dabei noch nicht eingerechnet.

    Dass die Kosten eine starke Belastung darstellen, verdeutlichen auch die Zahlen der AHV-Statistik. Von 2.5 Millionen AHV-Beziehern leben fast 800’000 im Ausland, vorwiegend in Westeuropa. Diese Zahl hat sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt. Auch der Anteil von Schweizerbürgern, die ins Ausland ziehen, nimmt kontinuierlich zu.

    Die Rentenbeiträge fallen heutzutage prozentual tiefer aus. Die Ausgaben betreffen grösstenteils fixe bzw. obligatorische Auslagen. Die politische Diskussion dreht sich aber immer um den ersten Teil – den Beiträgen. Die Ausgabeseite wird vernachlässigt, dabei haben die Anteilverschiebungen der Kosten einen erheblichen Einfluss auf die Lebenssituation der Rentner. Insbesondere Steuern und Krankenkasse machen mit der Pensionierung einen deutlich höheren Anteil aus.

    Abbildung 3: Vergleich Ausgaben Haushalte mit unter bzw. über 65jährigen (Eigene Darstellung, Quelle: Bundesamt für Statistik)

    Die hohen Prämien für die Grundversicherung bei den Krankenkassen sind ein grundlegendes Problem, das alle Bürger betrifft. Dieses Thema wird hier nicht weiter vertieft, da dazu separate Blogbeiträge vorgesehen sind.

    Statt die Steuerbelastung für Rentner zu senken, wird derzeit eine höhere Besteuerung von Kapitalbezügen aus der Pensionskasse angestrebt. Dies ist so, als würde man während eines laufenden Spieles die Regeln ändern. Das oben erwähnte Auswandern ins Ausland wird attraktiver. Selbst ein Umzug nach Deutschland kann sich lohnen. Fällt auf die AHV-Beiträge keine Quellensteuer an und werden Altersrenten nur teilweise oder gar nicht besteuert, wie z.B. in Thailand, führt dies zu einer enormen Steigerung der Kaufkraft und des Lebensstandards. In der Schweiz werden AHV- und PK-Beiträge vom Bruttolohn der Erwerbstätige abgezogen und nicht besteuert. Dies ist in anderen Ländern nicht der Fall, weshalb zur Minderung der Doppelbesteuerung bei der Auszahlung der Rente jährlich gestaffelte Steuererleichterungen angewendet werden. Das Argument der Doppelbesteuerung kann in der Schweiz nicht zur Steuererleichterung vorgebracht werden, trotzdem gibt es andere Gründe für eine tiefere Besteuerung von Renten: Das Risiko für Altersarmut wird verringert, die Lebensleistung der Rentner wird anerkannt, das Sozialsystem (z.B. Ergänzungsleistungen) wird entlastet, der Konsum wird gefördert und somit die Wirtschaft gestärkt. Zudem nimmt mit zunehmendem Alter die Nutzung der öffentlichen Infrastruktur stetig ab (z.B. Mobilität, Bildung), während das Gesundheitswesen tendenziell stärker beansprucht wird. Wie aber oben geschrieben, ist dieses grundsätzlich zu reformieren.

    Die vorgeschlagene Steuersenkung ist sicherlich ein komplexes Thema – vielleicht wird sie deshalb nicht vorgebracht. Etwas einfacher umzusetzen wären hingegen Erleichterungen bei den Wohnkosten. Heute besitzen etwa 60% der Rentner Wohneigentum. Zwar hat das Wohneigentum in der Schweiz in den letzten Jahren zugenommen, doch über alle Altersgruppen hinweg liegt der Anteil bei etwa 37% und ist im Vergleich zu anderen Europäischen Ländern sehr tief. Ergänzend kommt hinzu, dass in der Schweiz Hypotheken systembedingt aufgrund des fiktiven Eigenmietwerts und der Steuervorteile beim Schuldenabzug häufig nicht abbezahlt werden. Ziel sollte es jedoch sein, die Hypothek bis zur Pensionierung vollständig zu tilgen, sodass nach der Pensionierung nur noch die Unterhaltskosten der Immobilie als Ausgaben verbleiben. Eine grobe Schätzung auf Basis der Haushaltsbefragung des Amts für Statistik zeigt ein Einsparungspotential von etwa 8 %.

    Nebst der Abschaffung des heutigen Eigenmietwertes, über welches die Bevölkerung demnächst abstimmen wird, wären auch die Rahmenbedingungen für den Erwerb von bezahlbarem Wohneigentum zu verbessern. Mögliche Massnahmen zur Förderung von Eigentumsobjekten (statt Mietobjekten) wären beispielsweise Erleichterungen bei Renovationen, eine Erhöhung der Ausnutzungsziffer, vereinfachte Baubewilligungen, schnellere Zonenumwandlungen bei Zuwanderung und steuererleichterte Vererbung. Einzig für die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum wären Fördergelder denkbar.

    Rentner müssen nicht mehr Vermögen aufbauen, eine entspannte Kostensituation wäre jedoch wünschenswert – auch weil es immer mehr den Mittelstand betrifft. Der Bedarf an Rentenerhöhungen würde sinken oder gar entfallen, was die Finanzierung des Rentensystems erleichtern würde. Wer weniger Ausgaben hat, benötigt auch eine geringere Rente.

    Quellen:

    Alle Links aufgerufen im Zeitraum vom 10. bis 12. März 2025

    Bauer, A. (2022, März 02). Bei den Mieten ist die Ungleichheit gross. Mieten und Wohnen. Abgerufen am 12. März 2025, von https://mietenundwohnen.ch/bei-den-mieten-ist-die-ungleichheit-gross/

    Bundesamt für Sozialversicherungen. (2024). AHV-Statistik 2023. https://www.bsv.admin.ch/dam/bsv/de/dokumente/ahv/statistiken/ahv_stat_2023_d.pdf

    Bundesamt für Statistik. (o. D.). Haushaltsbudgeterhebung. https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/wirtschaftliche-soziale-situation-bevoelkerung/erhebungen/habe.html

    Bundesamt für Wohnungswesen. (o. D.). Wohneigentumsquote. Abgerufen am 12. März 2025, von https://www.bwo.admin.ch/bwo/de/home/Wohnungsmarkt/zahlen-und-fakten/wohneigentumsquote.html

    Bundesamt für Wohnungswesen. (2025, März 06). Wohnkosten-Schere öffnet sich 2025 weiter [Pressemitteilung]. https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-104384.html

    Ferber, M. (2023, August 23). Vielen Arbeitnehmern drohen nach der Pensionierung Einkommenslücken: Wer heute 100 000 Franken verdient, hat im Alter nur noch gut die Hälfte an Rente. Neue Zürcher Zeitung. https://www.nzz.ch/finanzen/pensionierung-schweiz-sinkende-renten-aus-pensionskassen-sorgen-fuer-luecke-ld.1752621

    Steck, A. (2024, Juni 01). Sorgenfrei in Rente? Dazu brauchen Sie ein Vermögen von zwei Millionen. Neue Zürcher Zeitung. https://www.nzz.ch/finanzen/ohne-sorgen-in-rente-laut-experten-brauchen-sie-dazu-ein-vermoegen-von-zwei-millionen-ld.1832540

    Steck, A. (2025, März 08). Die Pensionierung als Steuerfalle: Wer auswandert, spart Zehntausende Franken. Neue Zürcher Zeitung. https://www.nzz.ch/wirtschaft/die-pensionierung-als-steuerfalle-wer-auswandert-spart-zehntausende-franken-ld.1872753

    VZ Vermögenszentrum. (2024). VZ Pensionierungs-Barometer 2024. Abgerufen am 12. März 2025, von https://www.vermoegenszentrum.ch/wissen/pensionierung-die-einkommensluecke-wird-immer-groesser

    Titelbild: pixabay.com, Bild von Alexas_Fotos

  • Bitcoin – Quo Vadis?

    Bitcoin – Quo Vadis?

    Etwas mehr als 15 Jahre nach seinem Start als technisches Experiment ist Bitcoin in aller Munde und im Mainstream angekommen.

    Dieser Artikel befasst sich mit der Frage, wo Bitcoin heute steht und wohin sich das Kryptogeld gemäss heutiger Einschätzung entwickelt.

    Die ursprüngliche Idee: Bitcoin als digitales Geld

    Ende 2008 erreicht die Finanzkrise mit dem Zusammenbruch von Lehmann Brothers ihren Höhenpunkt. Kurze Zeit später veröffentlichte Satoshi Nakamoto sein White Paper «A Peer-to-Peer Electronic Cash System». Das primär technische und weniger ökonomische Dokument beschreibt die Schaffung eines Systems, das direkte Online-Zahlungen zwischen Vertragsparteien ermöglicht. Dies ohne Finanzintermediäre und ohne staatliche Beteiligung – eine revolutionäre Idee. Doch hat Bitcoin nach 15 Jahren das erreicht, was es ursprünglich erreichen wollte? Wie gut erfüllt Bitcoin seine Funktion als digitales Geld?

    Geld muss drei Eigenschaften möglichst gut erfüllen. Es muss als Tauschmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel dienen. Diese Eigenschaften werden bei Bitcoin durch folgende Faktoren beeinflusst: Technische Herausforderungen, Konkurrenz anderer Zahlungsmittel, Reputation des Systems, politische und regulatorische Unsicherheiten, Volatilität, begrenzte Anzahl Bitcoins.

    Wer mit Bitcoin zahlen will, muss sich technisches Wissen aneignen und beispielsweise entscheiden, welches Wallet (ähnlich einem Schlüsselbund) am besten zur Aufbewahrung der privaten Schlüssel (vergleichbar mit dem PIN einer Bankomatkarte) geeignet ist. Die Nutzung der Wallets bleibt aktuell dennoch anspruchsvoll. In der Bitcoin-Community gibt es Bestrebungen und Lösungen, damit Bitcoin-Transaktionen benutzerfreundlicher, günstiger und in grösserer Anzahl durchgeführt werden können (z.B. Lightning, SegWig). Das Zahlen mit bestehenden Zahlungsmitteln wie Bargeld, Debit-/Kreditkarte, Instant-Zahlungslösungen von Banken oder Banküberweisungen bleibt derzeit aber einfacher und transparenter.

    Eindeutige Zahlen zur Verwendung von Bitcoin als Zahlungsmittel gibt es nicht. Aussagen in Krypto-Blogs bestätigen die Vermutung, dass die ursprüngliche Idee Bitcoin als Zahlungsmittel zu verwenden stagniert. El Salvador, das 2021 Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel einführte und gerne als Musterbeispiel genannt wurde, sah sich gezwungen diesen Entschluss anfangs 2025 wieder rückgängig zu machen. Der Schritt erfolgte aufgrund einer Vereinbarung mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) sowie abnehmender Akzeptanz bei der Bevölkerung. Ende 2024 erfolgten im lateinamerikanischen Land nur noch etwa 7.5% der Zahlungen mittels Bitcoins.

    Skandale um Kryptobörsen, Geldwäscherei und Betrugsfälle haften Bitcoin an. Der jüngste Hack im Februar 2025 auf die Kryptobörse Bybit hatte erhebliche Auswirkung auf die Kurse und Reputation von Kryptogeldern.   

    Die Existenz von Bitcoin sowie anderer Kryptogelder hat die Frage aufgeworfen, wer das Recht hat, Geld zu schaffen. Heute scheint es selbstverständlich, dass ein Staat bzw. die Zentralbank über diese Hoheit verfügt. In der Schweiz waren noch bis 1910 Noten von verschiedenen Kantonalbanken und Geschäftsbanken im Umlauf. Erst später wurde das Notenmonopol der Schweizerischen Nationalbank übergeben. Ein Staat kann die Nutzung von Kryptogeld (El Salvador bis anfangs 2025) oder regionale Komplementärwährungen (z.B. Chiemgauer in Deutschland) fördern. Er kann Parallelwährungen gewähren (z.B. WIR-Geld) oder, falls die Währung zu dominant wird, deren Verwendung einschränken oder verbieten (z.B. Wörgl-Schilling 1930er Jahre, Kryptowährungen in China). Letzteres wird ein Staat als notwendig erachten, wenn beispielsweise Kryptowährungen die Finanzstabilität gefährden, zu grossen Einfluss auf staatliche Währungen ausüben oder der Staat die Kontrolle über das Geldsystem zu verlieren droht. Der Ökonom Klaus Wellershoff hält in einem Interview fest: «Bei der Frage, was Geld ist, wird die staatliche Macht komplett unterschätzt. Ab dem Zeitpunkt, ab dem Krypto-Assets eine Alternative zu den nationalen Währungen werden, dürften sie verboten werden…Der Staat kann sich nicht erlauben, dass das eigene Geld substituiert wird. Das würde auch einhergehen mit Hochinflationsphasen, das will niemand.»

    Die Staaten befinden sich in einer Zwickmühle. Einerseits müssen sie Risiken regulieren und für finanzielle Stabilität sorgen (Einleger- und Anlegerschutz, Verhinderung von Kriminalität und Geldwäscherei). Anderseits sollten die Regulierungen liberal genug sein, um Chancen innovativer Geschäftsmodellen für die (Finanz-)Wirtschaft zu verhindern (z.B. Tokenisierung Vermögenswerte, effizientere und sicherer Zahlungstransaktionen). Auch für das Geld- und Finanzsystem ergeben sich aus der Blockchain-Technologie Möglichkeiten, um Systemrisiken zu reduzieren oder zu vermeiden. Zentralbanken könnten mit sogenannten Retail-CBDCs (Central Bank’s Digital Currency) direkt Geldschöpfung betreiben und die Inflation besser steuern.

    Als Recheneinheit hilft Geld dabei, den Preis von Produkten und Dienstleistungen vergleichbar zu machen. Der Konsument kann seine Kaufkraft beurteilen. Die Volatilität von Bitcoin hat gemäss Studien in den letzten Jahren nachgelassen. Trotzdem sind Tagesschwankungen von 2-4% derzeit der Regelfall. Über die letzten Monate (November 2024 bis Februar 2025) war die monatliche und wöchentliche Volatilität, u.a. durch die US-Wahlen, bedeutend höher. Ende Februar 2025 haben alle Kryptowährungen einen erheblichen Kurseinbruch erlitten (Hack Bylit, Inflationserwartungen (?)). Als Konsument sind diese Ausschläge nicht erfreulich. Stark schwankende Preise erschweren die Entscheidungsfindung eines Kaufes und beeinflussen die Kaufkraft.

    Das begrenzte Angebot an Bitcoins sowie die Höhe der Nachfrage wirken sich auf die Funktion der Recheneinheit aus und erschweren die Lesbarkeit von Preisen in Bitcoins. Ein Kaffee für CHF 5 kostete am 19. Februar 2025 um 17 Uhr etwa 0.000058 Bitcoin. Da diese Zahlen schwer zu merken und zu beurteilen sind, gibt es schon seit Beginn von Bitcoin die sogenannten Satoshis: Ein Bitcoin entspricht 100 Millionen Satoshis. Im Fall des Kaffees wären das 5’800 Satoshis – eine deutlich besser lesbare Einheit. Mit steigender Marktkapitalisierung (= höhere Nachfrage nach Bitcoins) verschlechtert sich diese Lesbarkeit weiter, da immer kleinere Dezimalwerte in Bitcoin angegeben werden müssen. Würde sich Bitcoin als Zahlungsmittel durchsetzen, so hätte dies zur Folge, dass Satoshis an Bedeutung gewinnen müssten. Bitcoin kann als Recheneinheit verwendet werden, ist jedoch nicht so praktikabel wie etablierte staatliche Währungen.

    Bitcoin wird verteilt auf verschiedenen Rechnern gespeichert und kann jederzeit wieder genutzt werden. Insofern ist die (Wert-)aufbewahrung gegeben. Die Wertstabilität von Bitcoin allerdings ist fragiler. Wie bereits erwähnt, schwankt der Bitcoin-Kurs immer wieder erheblich. Betrachtet man jedoch die langfristige Kursentwicklung des Bitcoins im Vergleich zum US-Dollar, zeigt sich seit der Einführung ein beachtlicher Wertzuwachs – trotz der erheblichen Kursschwankungen (vgl. Abbildung 1). Die Volatilität anderer Währungspaare, wie etwa des US-Dollars gegenüber dem Schweizer Franken, ist deutlich geringer und wird stärker von volkswirtschaftlichen Faktoren beeinflusst. Insgesamt bleibt die Wertaufbewahrungsfunktion von Bitcoin aufgrund seiner Schwankungen noch instabil.

    Zu beachten gilt zudem, dass die Funktion von Geld als Wertaufbewahrungsmittel nicht darin besteht, wie bei einem Anlageinstrument eine Wertsteigerung zu erzielen, sondern vielmehr darin, den Wert stabil und im richtigen Ausmass im Wirtschaftskreislauf zur Verfügung zu stellen. Steigt der Wert des Geldes zu stark, wird es gehortet, was zu einem Rückgang der Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen führt. Ebenso hat eine Wertminderung des Geldes zur Folge, dass Konsumenten sich weniger leisten können. In beiden Fällen entstehen negative Auswirkungen für die Wirtschaft.

    Die Anzahl an Bitcoins ist technisch auf 21 Millionen begrenzt. Im Gegensatz zu staatlichen Währungen kann Bitcoin nicht beliebig ausgeweitet („inflationiert“) werden. Eine Verwässerung des Werts durch die Schöpfung neuer Bitcoins wird voraussichtlich 2140 enden. Bis dann dürften alle Bitcoins gemint sein. Diese technische Tatsache wird gerne verwendet, um Bitcoin als inflationsgeschützt zu bezeichnen. Wenn aber Preise von Waren und Dienstleistungen nicht in Bitcoin angegeben werden, sondern in einer staatlichen Währung, dann ist dieser Inflationsschutz nicht gegeben. Bitcoin muss dann jeweils in diese Währung umgetauscht werden und ist somit deren Inflation ausgesetzt. Ersetzt man den Bitcoin beispielsweise durch den Schweizer Franken und kauft Güter in der EU in Euro ein, dann importiert man die Inflation aus dem Ausland in die eigene Währung. Es sei denn, die Nachfrage nach Schweizer Franken steigt an und kompensiert durch den gestiegenen Wert die Kaufkraft im Ausland. Um den Inflationsschutz zu gewähren, müsste der Bitcoin-Kurs demnach die Geldentwertung berücksichtigen und entsprechend steigen. Wie die Graphik 1 zeigt, korreliert der Bitcoin-Kurs allerdings nicht immer mit der Inflation bestehender Währungen. Marktpsychologie, Spekulation, politische und regulatorische Gegebenheiten dürften den Bitcoin-Kurs aktuell stärker beeinflussen als makroökonomische Faktoren wie die Inflation.

    Abbildung 1: Inflation und Bitcoin-Kurs (Eigene Graphik, Quellen: Eurostat, Investing.com)

    Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Bitcoin die Geldfunktionen erfüllt. Als Zahlungsmittel wird er jedoch nur in begrenztem Umfang genutzt. Die ursprüngliche Idee scheint in den Hintergrund getreten zu sein und Bitcoin entwickelt sich in eine völlig andere Richtung.

    Die aktuelle Idee: Bitcoin das neue Anlageinstrument

    Die Blockchain-Technologie hat die Finanzbranche aufgerüttelt. Nebst den neuen Kryptogeldern sind neue Akteure in den Markt getreten und haben neue Geschäftsmodelle eingeführt. Etablierte Banken setzen sich ebenfalls mit den Möglichkeiten der neuen Technologie auseinander. Die Reaktion auf Bitcoin besteht darin, diesen als neues Anlageinstrument zu betrachten, anstatt als Geld. Exchange Traded Funds (ETFs) ermöglichen es weniger technologieaffinen Kunden Bitcoins zu erwerben. Zwar gab es bereits 2018 in der Schweiz einen solchen Fonds, aber erst anfangs 2024 mit der Zulassung von ETFs in den USA, welche direkt in Bitcoins investieren, wurde ein regelrechter Run auf den Bitcoin ausgelöst.

    Unklar ist allerdings, welche Anlageklasse Bitcoin darstellt. Aufgrund seines vermeintlichen Inflationsschutzes wird Bitcoin gerne als «neues Gold» bezeichnet. Gold wird unter den Finanzdienstleistern als Währung gehandelt. Der Ökonom Klaus Wellershoff betrachtet Bitcoin allerdings nicht als Währung, sondern als Asset. In den USA wird anscheinend im Rahmen der Diskussionen zum «Project 2025» Bitcoin als Rohstoff angesehen, möglicherweise in Anlehnung an Gold als Rohstoff. Eine klare Kategorisierung ist besonders für mögliche zukünftige Regulierungen von Bedeutung. Sie spielt auch eine wichtige Rolle bei der Bewertung wirtschaftlicher und politischer Einflussfaktoren sowie bei der Bestimmung des Einsatzes in Anlagestrategien. Anleger scheinen sich mittlerweile ähnlich wie bei Gold zu verhalten. Angesichts der erwarteten Inflation aufgrund neuer Zölle in den USA dürften die Leitzinsen nicht weiter gesenkt, möglicherweise sogar wieder erhöht werden. In diesem Fall würden Anlagen in US-Dollar wieder attraktiver und das Interesse an Bitcoin könnte schwinden.

    Der Basler Finanzprofessor Erwin Heri beurteilt in einem Artikel der NZZ sowohl Gold als auch Kryptowährungen als spekulative Anlagen. Dies weil die Entwicklung ihrer Preise nicht über fundamental-wirtschaftliche Elemente erklärbar ist, sondern ausschliesslich aus der Erwartung über die Preisentwicklung selbst. Anleger gehen bei ihren Investitionen davon aus, dass sie irgendwann jemanden finden, der ihnen mehr bezahlt, als sie selbst bezahlt haben.

    Es lässt sich nicht abstreiten, dass Bitcoin hochspekulativ ist. Ebenso ist klar, dass Bitcoin keinen inneren Wert besitzt. Wie der Name schon sagt, besteht der «Wert» lediglich aus digitalen Bits, die in einem verteilten «Kassabuch» (Ledger) verwaltet werden. Etwas vereinfacht und in einer analogen Welt könnte jemand Steinchen aufhäufen und die Ab- und Zuflüsse in einem transparenten zugänglichen Kassabuch führen. So lange alle Teilnehmenden an dieses System glauben, funktioniert es einwandfrei. Fällt das Vertrauen weg, sind die Steinchen schnell nichts mehr wert. Das ist beim FIAT-Geld ähnlich, bei Anlagen wie z.B. einer Unternehmensaktie aber nicht. Gold mag auch spekulativ sein, hat aber eine jahrtausendlange Tradition als Krisenwährung. Zudem kann Gold für Schmuck oder industrielle Zwecke genutzt werden.

    Mit der Zulassung der ETFs in den USA stiegen die Kurs-Erwartungen der Markteilnehmer. Die Kapitalisierung von Bitcoin erhöhte sich vom Dezember 2023 (USD 757 Mia.) bis Ende Februar 2025 um 150% (1’896 Mia. US-Dollar). Aufgrund der Anonymität von Bitcoin ist es schwierig zu bestimmen, wer wie viele Bitcoins besitzt. Einige Bitcoin-Halter geben jedoch ihre Bestände bekannt. Die Graphik unten zeigt, dass Satoshi Nakamoto ca. 5% des gesamten Bitcoin-Bestandes hält, die seit der Generierung jedoch unberührt geblieben sind. Ein weiterer grosser Besitzer ist das Unternehmen MicroStrategy, das Bitcoins auch mittels Kreditaufnahme anhäuft. Auch die USA halten mittlerweile 1% aller Bitcoins, wobei es sich dabei um aus Betrugsfällen konfiszierte Bestände handelt. Es wird vermutet, dass auch China und Russland über direkte Trades mit Minern Bitcoin anhäufen. Wer grössere Bestände besitzt, könnte den Markt anonym manipulieren.

    Abbildung 2: Besitzverteilung Bitcoins (Quellen: river.com, bitinfocharts.com)

    In den USA hat Donald Trump angekündigt, dass der Staat selbst eine „strategische Reserve“ an Bitcoins anlegen möchte. In der Schweiz fordert die „Bitcoin-Initiative“, dass die Schweizerische Nationalbank einen Teil der Währungsreserven in Gold und Bitcoin halten soll. Wenn Staaten damit beginnen, Bitcoins anzuhäufen, werden sie zu bedeutenden Marktteilnehmern, die möglicherweise den Kurs stabilisieren. Dies könnte sowohl für Anleger als auch für bereits bestehende Bitcoin-Besitzer von Interesse sein. Allerdings würde Bitcoin sich damit von seiner ursprünglichen Idee einer staatslosen Währung entfernen.

    Die Zukunft: Bitcoin als weiterlaufendes Experiment

    Nach heutiger Einschätzung wird Bitcoin nicht zum Zahlungssystem/-mittel werden, das er ursprünglich sein wollte. Stattdessen scheint Bitcoin sich zunehmend zu einem Anlageinstrument zu entwickeln, wobei unklar ist, wie er genau zu klassifizieren ist. Bitcoin ist hochspekulativ und wird vor allem von hypothetischen Erwartungen und weniger von makroökonomischen Größen getrieben. Insbesondere die staatlichen Regulierungen, aktuell vorangetrieben von den USA, werden darüber entscheiden, wie sich Bitcoin weiterentwickelt.
    Bitcoin ist nach wie vor ein Experiment – nicht mehr technisch, sondern ökonomisch. Es bleibt spannend.

    Quellen:

    Alle Links abgerufen im Zeitraum vom 15.02.2025 und 28.02.2025

    Bergmann, Ch. (2024, September 25). Wann und wie gelingt der Durchbruch als Zahlungsmittel? BitcoinBlog.de. https://bitcoinblog.de/2024/09/25/wann-und-wie-gelingt-der-durchbruch-als-zahlungsmittel

    Curti, L. (2025, Februar 26). Gastkommentar – Die neue Krypto-Nation USA weist der Schweiz den Weg. Neue Zürcher Zeitung. https://www.nzz.ch/meinung/die-neue-krypto-nation-usa-weist-der-schweiz-den-weg-ld.1868467

    Dehouche, N. (2021). Scale matters: The daily, weekly and monthly volatility and predictability of Bitcoin, Gold, and the S&P 500. arXiv. https://arxiv.org/abs/2103.00395

    Esquivel, G. (2025, Februar 16). Bukele y el bitcoin: Fin de la criptofantasía. El País. https://elpais.com/america/opinion/2025-02-16/bukele-y-el-bitcoin-fin-de-la-criptofantasia.html

    Ferber, M. (2025, Februar 02). Gold und Bitcoin im Vergleich: Was Sparer und Anleger über das Edelmetall und die Kryptowährung wissen sollten. https://www.nzz.ch/finanzen/gold-und-bitcoin-ld.1869983

    Ferber, M. (2024, Juli 25). Ökonom Klaus Wellershoff im Interview zu Schulden, Trump, Euro, Gold und Krypto. Neue Zürcher Zeitung. https://www.nzz.ch/finanzen/oekonom-klaus-wellershoff-im-interview-zu-schulden-trump-euro-gold-und-krypto-ld.1840852

    Huber, P. (2025, Februar 12). Gastkommentar – Hinter Kryptowährungen stecken keine echten Werte, sondern einzig die spekulative Nachfrage weiterer Käufer. Neue Zürcher Zeitung. https://www.nzz.ch/meinung/hinter-kryptowaehrungen-stecken-keine-echten-werte-sondern-einzig-die-spekulative-nachfrage-weiterer-kaeufer-ld.1869325

    Köhler, B. (2025, Februar 26). Adiós Kryptoparadies: El Salvador Präsident Bukele beendet still und leise sein Bitcoin-Experiment. Neue Zürcher Zeitung. https://www.nzz.ch/wirtschaft/adios-kryptoparadies-el-salvador-praesident-bukele-beendet-still-und-leise-sein-bitcoin-experiment-ld.1870685

    Leon, M. (2025, Februar 25). Gigantischer Krypto-Crash: Bitcoin-Kurs unter 90.000 – Was verursacht diesen Absturz? Newsbit. https://newsbit.de/gigantischer-krypto-crash-bitcoin-kurs-unter-90-000-was-verursacht-diesen-absturz/

    Nakamoto, S. (2008). Bitcoin: A peer-to-peer electronic cash system. https://bitcoin.org/bitcoin.pdf

    Schneck, O., Buchbinder, F. (2015). Eine Welt ohne Geld. UVK.

    Städeli, M. (2025, Februar 22). 5000 Bitcoin bitte! Erste Staatsfonds und Pensionskassen kaufen Kryptowährungen – an der Zürcher Bahnhofstrasse. Neue Zürcher Zeitung. https://www.nzz.ch/wirtschaft/5000-bitcoin-bitte-erste-staatsfonds-und-pensionskassen-kaufen-kryptowaehrungen-an-der-zuercher-bahnhofstrasse-ld.1870616

    Das Titelbild des Artikels wurde mit ChatGPT erstellt.

    Daten für Graphiken

    https://www.investing.com/crypto/bitcoin/historical-data

    https://ec.europa.eu/eurostat/cache/dashboard/european-statistical-monitor

    https://www.crypto-insiders.de/nachrichten/bitcoin/das-sind-die-groessten-bitcoin-besitzer-der-welt

    https://river.com/learn/who-owns-the-most-bitcoin